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ACQUA Klinik Operationssaal

Mitteldeutschland ist Standort für Chirurgie-high-tech

17.05.2014

Die nächste Generation des OP-Saals. Made in Germany. Performed in Leipzig.
Im März 2014 nahm die ACQUA Klinik Leipzig das neueste Modell des „Surgical Deck OR1-340“ in Betrieb.
So wird heute der Arbeitsplatz für den Chirurgen und Anästhesisten bezeichnet, der inzwischen nur noch wenig mit dem altehrwürdigen OP-Saal Konzepten zu tun hat. Diese Weltpremiere eröffnet völlig neue Möglichkeiten für die Sicherheit und Qualität des chirurgischen Eingriffs.

ACQUA Klinik Leipzig behandelt seit 2005 jährlich mehr als 3.000 Patienten mit Erkrankungen von Hals-Nase-und Ohren. Von Anfang an setzte die neugegründete Klinik auf high-tech im OP-Saal und pflegt dafür zahlreiche Kooperationen mit der Medizintechnik. Die kürzlich in Betrieb genommene neueste Version des OP-Saals ist wohl der größte Entwicklungssprung im weltweiten Wettbewerb um den OP der Zukunft. Zahlreiche Innovationen entstehen nun auch vor Ort, so dass sich Leipzig von einer reinen Referenzinstallation zu einem Entwicklungs- und Trainingszentrum etabliert hat. Allein 300 Chirurgen aus aller Welt besuchen das am gleichen Ort angesiedelte Trainingszentrum IRDC pro Jahr. Wir sprechen mit dem Team aus Entwicklern und Operateuren, dass für die Inbetriebnahme des Systems verantwortlich ist.

Der OP-Computer wird Co-Chirurg


Bevor eine Operation startet, sortiert der Operateur die Vielzahl von Informationen, die ihm über den Patienten vorliegen. Das können Computertomogramme, Hörprüfungen oder Laborergebnisse sein. „Dadurch wird der Patient und dessen Erkrankung für uns immer besser verständlich. Allerdings ist es inzwischen unmöglich, in der Vielfalt der Informationen den Überblick zu behalten.“, so Dr. Susanne Modemann, die als Leitende Oberärztin von Anfang an im Surgical Deck täglich bis zu 10 Operationen absolviert und inzwischen auch das Training der Nachwuchschirurgen leitet. Im OR1-340 sammelt der OP-Computer diese Daten in Form von digitalen Modellen, die sowohl den Patienten, als auch den geplanten Eingriff detailgetreu abbilden. „Das Surgical Operation Handbook ist eines dieser Modelle, man kann sich als eine sehr umfangreiche und detaillierte Checkliste vorstellen, die den Operateur durch den Eingriff leitet.“ erläutert Modemann weiter.

Darauf baut eines der wichtigsten Systeme im chirurgischen Cockpit auf, die Procedure Point Navigation. Auf einem Display erkennt der Operateur den nächsten geplanten OP-Schritt, dazugehörige Landmarken und Risikostrukturen. Das System empfiehlt das geeignete Instrument und den berechneten Operationskorridor. Eine Computerstimme informiert zusätzlich in Situationen, die eine besonders hohe Konzentration erfordern, über die aktuelle Position. „Ja, die Atmosphäre hat sich geändert. Es herrscht eine konzentrierte Ruhe, da viele Informationen gebündelt präsentiert werden und vom Team gemeinsam abgearbeitet werden.“ beschreibt Modemann das Arbeiten im OR1-340 aus Sicht des ersten Operateurs.

Die Operation wird für jeden nachvollziehbar

Erstmals gibt es im OR1-340 auch einen Operationsrekorder. Hier werden alle bei der Operation anfallenden Daten aufgezeichnet. „Ob bei dem wöchentlichen De-Briefing interessanter Situationen und Abweichungen oder bei der Erläuterung für den Patienten, diese Daten beschreiben detailgetreu aus verschiedenen Perspektiven in Bild, Ton und mit einer Vielzahl von digitalen Werten den Ablauf der gesamten Prozedur. Das stellt einen großen Mehrwert, nicht nur für den Betreiber des OP´s dar“
beschreibt Iris Gollnick, die als Leiterin des IRDC für Entwicklungen dieser Art zuständig ist, den Surgical Recorder.

Autochirurg entlastet den Operateur

Viele Routine-Aufgaben im chirurgischen Cockpit lassen sich heute mit Computerunterstützung zuverlässig unterstützen. Ein Beispiel ist der Verschluss von Gefäßen, die anderenfalls zu Blutungen und Komplikationen führen können. War es bislang allein der Operateur, der durch seine Erfahrungen die Leistungsparameter des sogenannten HF-Systems steuert, übernimmt im OR1-340 das Adaptive Vessel Control (AVC) die Leistungssteuerung beim Gefäßverschluss mit bis zu 20 mm kleinen Pinzetten. Das System misst die abgegebene Energie, den sich ändernden Gewebewiderstand und regelt so vollautomatisch den Gefäßverschluss. „Mit AVC wird die Prozedur nicht besser, als in den Händen des erfahrenen Operateurs, aber wesentlich zuverlässiger, da das System mit den immer gleichen Algorithmen arbeitet. Wir sehen weniger Nachblutungen und können einige Eingriffe mit kürzeren Klinik-Verweilzeiten absolvieren.“ beschreibt Dr. Modemann den praktischen Effekt.

Doch es gibt auch Prozeduren, die ohne Unterstützung des digitalen OP-Saals gar nicht möglich sind. Hier steht im OR1-340 mit dem Surgical Management & Guidance System (SMGS) ein System bereit, das auch Operationen unter reiner Computernavigation erlauben. Für den Fall schwieriger oder nicht vorhandener Orientierung unter Sicht muss der Operateur damit den Eingriff nicht mehr abbrechen, sondern kann sich auf die Informationen des SMGS verlassen. „Seit der Einführung des SMGS vor mehr als 20 Jahren ist es heute für moderne OP-Systeme unvorstellbar, auf Unterstützung wie Kollisionswarnung zu verzichten. Weniger Stress für die chirurgische Crew durch mehr Informationen, weniger Gewebeschäden im OP-Gebiet und eine kürzere Behandlungsdauer“ skizziert Prof. Gero Strauss die Vorteile des SMGS. Strauss beschäftigt sich seit über 15 Jahren mit der Weiterentwicklung der Medizintechnik in seinem Fachgebiet HNO-Chirurgie und ist als Chefchirurg täglich im chirurgischen Cockpit anzutreffen.

Messen im Millisekunden-Takt

Solche anspruchsvollen chirurgischen Manöver erfordern eine hohe Genauigkeit der Sensoren. Dafür ist der OR1-340 mit Infrarotkameras und elektromagnetischen Messsystemen ausgestattet. Automatisch werden die von den Endoskopen eingespielten Bilder mit den anatomischen Modellen des OP-Computers abgeglichen. Instrumente dienen gleichzeitig als Sensoren und produzieren Signale zur Erkennung von Nerven.

Unsichtbares sichtbar machen


Doch damit nicht genug. Die Videosignale aus dem menschlichen Körper werden im OR1-340 mehrfach analysiert. Mit Hilfe der SPIES-Technologie werden Kontraste verstärkt oder Strukturen überhaupt erst dem menschlichen Auge sichtbar gemacht. Gefäße werden sichtbar, bevor die dünne Schleimhaut auf
der Oberfläche verletzt wird, Grenzzonen von Tumoren sind besser abgrenzbar oder Blutungsquellen schneller identifizierbar.

Armaturenbrett in Ultra-HD-Qualität

Erstmals in der Chirurgie verfügt der OR1-340 auch über ein Ultra-HD-Display. Das Primary Surgical Display (PSD) ist das „Armaturenbrett“ des Cockpits. Hier werden alle Informationen präsentiert. „So sind einige Informationen immer präsent, andere wechseln je nach Fortschritt der OP ab. Erstmals sieht der Chirurg hier alle Informationen in einem Zusammenhang. Der OP-Computer sorgt dafür, dass beim Erreichen von Grenzwerten Alarm geschlagen wird.“ so Strauss.

Vital Cockpit vereint die Crew

Der Arbeitsplatz für die Überwachung der Narkose und Steuerung der sogenannten Vitalfunktionen wurde im OR1-340 völlig neu gestaltet. Denn der Anästhesist und seine Mitarbeiter sorgen schließlich dafür, dass die Operation überhaupt stattfinden kann. Das Vital Cockpit bietet alle Informationen, einschließlich der Daten aus dem chirurgischen Cockpit. Somit sind beide Crews auf den gleichen Informationsstand und können z.B. die Planung des Aufwachens an den Verlauf der OP anpassen. Dadurch kann die Narkosetiefe verbessert und der Verbrauch von Narkosemedikamenten reduziert werden.

Gemeinsame Vision SPI

Seit 2009 arbeiten die Unternehmen KARL STORZ (Tuttlingen), DRÄGER (Lübeck), TRUMPF (München) und weitere Akteure der deutschen Medizintechnik am International Reference and Development Centre for Surgical Technology (IRDC) an der Vision „Surgical Deck“ zusammen. Der OR1-340 ist bereits das dritte Modell eines neuartigen Konzepts, das vor allem die Unterstützung des OP-Teams durch automatische Assistenzsysteme in den Mittelpunkt stellt. Mit mehr als 10.000 erfolgreichen Operationen mit einer zweistelligen Steigerung aller relevanten Leistungsparameter eines OP-Systems, jährlich mehr als 300 Fachbesuchern, zahlreichen Preisen und neu hinzugewonnenen Partnern ist aus einer Vision erfolgreiche Realität geworden.

Das vor zwei Jahren gegründete Leipziger Unternehmen Surgical Process Institute (SPI) realisiert heute gemeinsam mit den Partnern die Umsetzung von Umrüstungen und Neuinstallationen. Der Erfolg kann sich sehen lassen. Mehr als 15 konkrete Projekte und Installationen allein in Deutschland lassen auf eine rasche Verbreitung der neuen OP-Systeme hoffen. Dr. Gunter Trojandt, Geschäftsführer des Unternehmens verzeichnet „eine große Akzeptanz, obwohl oder vielleicht gerade wegen des damit einhergehenden Kulturwandels in der Chirurgie. Die Chirurgen zeigen eine große Offenheit gegenüber neuen Technologien und können sich generell schnell mit einer veränderten Rolle im OP identifizieren, wenn es dem Patienten nützt.“, so Trojandt weiter.

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